Craig Murrays Bericht zur Assange Verhandlung in Belmarsh, Tag 3

Dies ist eine Übersetzung der Berichterstattung des Briten Craig Murray über die Verhandlungen im Fall Julian Assange.

Die Originalquelle findet ihr hier.

Ihr Mann im Gerichtssaal – Assange Anhörung Tag 3

Während der gestrigen Verhandlungen im Gerichtsaal nahm die Anklage eine Argumentation ein, die dermaßen krass und offensichtlich unsinnig war, daß ich mir Sorgen darum mache, wie ich diese wiedergeben konnte, ohne daß das Geschriebene wie eine Karikatur oder unfaire Übertreibung meinerseits erscheinen würde. Was in diesem Gerichtssaal vorgegangen ist, ist mittlerweile weit über das karikative hinaus gegangen. Alles was ich tun kann, ist ihnen meine persönliche Versicherung zu geben, daß was ich hier wiedergebe auch das ist, was wirklich passiert ist.

Wie gewohnt werde ich mit Verfahrensangelegenheiten und dem Umgang mit Julian beginnen, bevor ich einen übersichtlichen Bericht der rechtlichen Argumentationen beginne.

Vanessa Baraitser hat offensichtlich klare Anweisungen erhalten, Rücksicht vorzutäuschen, indem sie, kurz vor Ende jeder Sitzung, fragt, ob Julian sich wohlfühle, und ob er eine Pause wünsche. Daraufhin ignoriert sie regelmäßig seine Antwort. Gestern antwortete er recht ausführlich, daß er in seinem Glaskäfig nicht richtig hören könne was vorgehe, und daß er nicht mit seinen Anwälten kommunizieren könne (irgendwann während der gestrigen Verhandlungen fingen sie damit an, ihn daran zu hindern, Notizen an seine Anwälte weiterzureichen, was, wie ich erfahren habe, der Hintergrund für die aggressive Art war, auf die er daran gehindert wurde, Garzon zum Abschied die Hand zu geben).

Baraitser bestand darauf, daß er nur mittels seiner Anwälte angehört werden dürfe, etwas was angesichts der Tatsache, daß er ihnen keine Anweisungen geben konnte, etwas lächerlich war. Nachdem hierauf hingewiesen wurde, gab es eine zehn minütige Unterbrechung, während derer Julian und seinen Anwälten erlaubt wurde unten in den Zellen zu sprechen – vermutlich konnten sie dort einfacher abgehört werden.

Nachdem sie zurückkehrten, reichte Edward Fitzgerald eine förmlich Anfrage ein, es Julian zu erlauben, neben seinen Anwälten im Gerichtssaal zu sitzen. Julian sei „ein sanfter, intellektueller Mann“, und kein Terrorist. Baraitser erwiderte, daß eine Befreiung Assanges aus der Zelle in den Gerichtsaal bedeuten würde, daß er aus dem Gewahrsam entlassen sei. Um dies zu erreichen würde es eines Kautionsantrags bedürfen.

Abermals intervenierte der Anwalt der Anklage, James Lewis, auf Seiten der Verteidigung, um zu versuchen die Behandlung Julians weniger extrem zu gestalten. Er sei sich, deutete er schüchtern an, nicht ganz sicher, ob es korrekt sei, daß es einer Kaution bedürfe, um es Julian zu erlauben im Gerichtssaal zu sein, oder ob ein Aufenthalt im Gerichtssaal, begleitet von Sicherheitsbeamten, bedeute, daß der Gefangene sich nicht länger in Gewahrsam befinde. Gefangene, selbst die gefährlichsten Terroristen, tätigten ihre Aussagen vom Zeugenstand im Gerichtssaal, neben Anwälten und Richtern. Am Hohen Gerichtshof säßen Gefangene regelmäßig mit ihren Anwälten in Auslieferungsanhörungen, in extremen Fällen gewalttätiger Verbrecher mit Handschellen an einen Sicherheitsbeamten gekettet.

Baraitser antwortete, daß Assange eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen könne. Es sei eine Frage sowohl der Gesundheit, als auch der Sicherheit. Wie kämen Fitzgerald und Lewis darauf, daß sie in der Lage sei, die nötigen Risikoeinschätzungen hinzubekommen? Es müsse an Group 4 liegen zu entscheiden, ob dies möglich sei.

Ja, sie hat wirklich gesagt, daß Group 4 entscheiden müsse.

Baraitser begann in einem Jargon wie ein Dalek zu sprechen, wenn er außer Kontrolle gerät. Begriffe wie „Risikoeinschätzung“ und „Gesundheit und Sicherheit“ kamen häufig vor. Sie begann etwas schlimmerem als einem Dalek zu gleichen, einem besonders dummen und minderwertigen örtlichen Regierungsbeamten. „Keine Zuständigkeit“- „Liege an Group 4“. Nachdem sie sich etwas erholte, erklärte sie, daß eine Überführung in Gewahrsam nur die Zelle im Gerichtssaal bedeuten könne, und nirgends sonst innerhalb des Raumes. Falls die Verteidigung ihn innerhalb des Gerichtssaal haben wolle, wo er die Verhandlungen besser hören könne, dann bliebe es ihnen nur übrig einen Kautionsantrag und eine generelle Entlassung aus dem Gewahrsam zu beantragen. Sie starrte daraufhin die zwei Rechtsanwälte an, in der Hoffnung daß sich beide setzen würden, aber beide blieben stehen.

Mit seiner schüchternen Art (von der ich zugebe, daß sie mir sympathisch wird) sagte Lewis „die Anklage ist in Bezug auf diese Anfrage selbstverständlich neutral, aber, ähh, ich glaube wirklich nicht, daß das richtig ist“. Er sah sie an wie ein gütiger Onkel, dessen Nichte gerade angefangen hat während einer Familienfeier Tequila aus der Flasche zu trinken.

Baraitser beendete die Angelegenheit indem sie erklärte, die Verteidigung könne bis 10:00 am morgigen Tage eine schriftliche Auseinandersetzung zu diesem Thema einreichen, und daß sie dann eine separate Anhörung zur Klärung der Frage von Julians Aufenthaltsort innerhalb des Gerichtssaals abhalten würde.

Der Tag hatte damit angefangen, daß eine sehr wütende Richterin Baraitser die Besucherbank angesprochen hatte. Gestern, sagte sie, sei ein Foto innerhalb des Gerichtssaals aufgenommen worden. Es sei eine Straftat, Fotos innerhalb des Gerichtssaals aufzunehmen, oder zu versuchen Fotos innerhalb des Gerichtssaals aufzunehmen. Vanessa Baraitser wirkte in diesem Moment sehr erpicht darauf, jemanden einzusperren. In ihrem Zorn schien sie außerdem die unbegründete Annahme zu machen, daß wer auch immer von der Besucherbank das Foto am Dienstag geschossen hatte, am Mittwoch immer noch da war; ich vermute nicht. Willkürlich auf die Öffentlichkeit wütend zu sein muss für sie sehr anstrengend sein. Ich vermute, sie schreit sehr häufig beim Bahnfahren.

Ms Baraitser mag die Fotografie nicht – sie scheint die einzige öffentliche Person in Westeuropa, von der es kein Foto im Internet gibt. Tatsächlich hinterlässt der durchschnittliche Besitzer einer ländlichen Autowaschanlage mehr Hinweise über seine Existenz und Lebensgeschichte im Internet, als Vanessa Baraitser. Dies ist kein Verbrechen ihrerseits, aber ich gehe davon aus, daß diese Tilgung nicht ohne beträchtliche Anstrengungen erreicht wird. Jemand suggerierte mir gegenüber, daß sie ein Hologramm sein könnte, aber ich glaube kaum. Hologramme besitzen mehr Empathie.

Ich war amüsiert von dem Straftatbestand des Versuches ein Foto im Gerichtssaal aufzunehmen. Wie inkompetent muss man sein, um zu versuchen ein Foto aufzunehmen, und daran zu scheitern? Und wenn kein Foto geschossen wurde, wie würden sie nachweisen, daß man versucht hatte eines aufzunehmen anstatt seiner Mutter eine Nachricht zu schreiben. Ich nehme an „zu versuchen ein Foto aufzunehmen“ ist ein Verbrechen, das man jemandem unterstellen könnte, der mit einer großen Spiegelreflexkamera, einem Stativ und mehreren Scheinwerfern ankommt, aber wie es scheint sind davon keine im Gerichtssaal angekommen.

Baraitser führte nicht aus, ob es ein Straftatbestand sei, ein Foto, das in einem Gerichtssaal aufgenommen, wurde zu veröffentlichen (oder gar, zu versuchen, ein Foto, das in einem Gerichtsaal aufgenommen wurde, zu veröffentlichen). Ich vermute dem ist so. Jedenfalls hat „Le Grand Soir“ eine Übersetzung meines gestrigen Reports veröffentlicht, und dort kann man ein Foto von Julian in seinem kugelsicheren Anti-Terroristen Glaskäfig sehen. Nicht, beeile ich mich hinzuzufügen, von mir aufgenommen.

Kommen wir nun zu den Erwägungen der gestrigen juristischen Argumentation bezüglich der Auslieferungsanfrage. Glücklicherweise sind diese eigentlich recht einfach zusammenzufassen, denn obwohl es fünf Stunden rechtlicher Abhandlungen gab, so bestanden diese weitestgehend daraus, daß beide Seiten darin konkurrierten, dutzende von „Autoritäten“, z.B. verstorbene Richter, zu zitieren, um ihren Standpunkt zu bestätigen. Dadurch wurden die selben Ansichten ständig wiederholt, mit wenig wirklichem Mehrwert durch die Auslegung der unzähligen Zitate.

Wie gestern bereits von Richterin Baraitser angedeutet, argumentiert die Anklage, daß Artikel 4.1 des GB/US Auslieferungsabkommens rechtlich nicht bindend sei.

Die Regierungen von GB und den USA sagen, daß der Gerichtshof nationales Recht vollstrecke, nicht internationales Recht, und daß daher das Abkommen keine Klageberechtigung habe. Diese Ansicht wurde dem Gericht in schriftlicher Form eingereicht, worauf ich keinen Zugriff habe. Aber aus der Diskussion vor Gericht war es klar ersichtlich, daß die Anklage argumentiert, daß das Auslieferungsgesetz von 2003, unter welchem das Gericht operiert, keine Ausnahme für politische Vergehen mache. Alle vorherigen Auslieferungsgesetze hätten die Auslieferung wegen politischer Vergehen ausgeschlossen, also müsse es die Intention des regierenden Parlaments sein, daß politische Straftäter nun ausgeliefert werden können.

Kronanwalt Edward Fitzgerald eröffnete seine Argumentation mit dem Einwand, daß das Auslieferungsgesetz von 2003 allein nicht ausreiche, um tatsächlich eine Auslieferung vorzunehmen. Die Auslieferung benötige zwei Dinge; das allgemeine Auslieferungsgesetz, und das Auslieferungsabkommen mit dem oder den betroffenen Ländern. „Kein Abkommen, keine Auslieferung“ sei eine unumstößliche Regel. Das Abkommen zuvorderst sei die Grundlage der Anfrage. Daher sei die Behauptung, daß die Auslieferung nicht durch die Konditionen eben des Abkommens geregelt werde, unter dem sie stattfinde, die Erschaffung einer juristischen Absurdität, und damit Verfahrensmissbrauch. Er zitierte Beispiele aus Rechtsprechungen durch das Oberhaus und den Kronrat, in denen Staatsverträge als vollstreckbar angesehen worden seien, trotz fehlender Einbindung in nationale Gesetzgebung. Insbesondere um zu verhindern, daß Menschen an britische Kolonien ausgeliefert werden in denen sie potentiell hingerichtet würden.

Fitzgerald verwies darauf, daß während das Auslieferungsgesetz von 2003 keine Hürde bezüglich der Auslieferung für politische Vergehen beinhalte, es auch nicht festlege, daß es keine derartige Hürde in Auslieferungsabkommen geben könne. Und das Auslieferungsabkommen von 2007 wurde nach dem Auslieferungsgesetz von 2003 ratifiziert.

An diesem Punkt unterbrach Baraitser, und sagte, es sei offensichtlich die Absicht des Parlaments, daß es Auslieferungen für politische Vergehen geben könne. Ansonsten hätten sie nicht diese Hürde aus der vorherigen Gesetzgebung entfernt. Fitzgerald lehnte es ab, dem zuzustimmen, und sagte, das Gesetz sage nicht aus, daß die Auslieferung für politische Vergehen nicht durch die Abkommen verboten werden könne, die die Auslieferung ermöglichen.

Fitzgerald fuhr damit fort zu erläutern, daß die internationale Rechtsprechung es seit einem Jahrhundert oder länger anerkannt habe, daß man niemanden wegen politischer Vergehen ausliefere. „Keine Politische Auslieferung“ finde sich im Europäischen Auslieferungsübereinkommen, im Musterauslieferungsabkommen der Vereinten Nationen und im Interpol Übereinkommen zu Auslieferungen. Sie sei in jedem einzelnen Auslieferungsabkommen der Vereinigten Staaten von Amerika zu finden, dem ist so seit über einem Jahrhundert, und dies auf Bestehen der Vereinigten Staaten. Wenn die Regierungen von sowohl GB als auch den USA nun festlegtet, daß dies nicht zutreffen würde, dann wäre das verwunderlich und würde einen schrecklichen Präzedenzfall darstellen, der Dissidenten und mögliche politische Gefangene Chinas, Russlands und von Regimes auf der ganzen Welt gefährden würde, die es geschafft haben in Drittländer zu fliehen.

Fitzgerald erläuterte, daß alle wesentlichen Autoritäten übereinstimmen würden, daß es zwei Typen politischer Vergehen gäbe. Das rein politische Vergehen, und das relativ politische Vergehen. Ein „rein“ politisches Vergehen sei definiert als Verrat, Spionage oder Volksverhetzung. Ein „relativ“ politisches Vergehen sei eine normalerweise kriminelle Tat, wie ein tätlicher Angriff oder Vandalismus, die aus politischen Motiven begangen wurde. Jede einzelne der Anschuldigen gegen Assange seien „rein“ politische Vergehen. Alle bis auf eine seien Anschuldigungen wegen Spionage, und die Anschuldigungen wegen unautorisierten Zugriffs auf Computer wurden von der Anklage mit einem Bruch des Amtsgeheimnisgesetzes verglichen, um die Kriterien für beiderseitige Strafbarkeit zu erfüllen. Die übergeordnete Anschuldigung, daß Assange versuche die politischen und militärischen Interessen der USA zu schädigen, sei in allen Definitionen von politischen Vergehen sämtlicher Autoritäten enthalten.

In Erwiderung sagte Lewis, daß ein Abkommen nach Englischem Recht nicht binden seien könne, es sei denn es werde vom Parlament spezifisch in Englisches Recht aufgenommen. Dies sei ein notwendiger demokratischer Verteidigungsmechanismus. Abkommen werden von der Exekutive getätigt, die keine Gesetze machen könne. Dies stehe der Parlamentssouveränität zu. Lewis zitierte etliche Richtersprüche, die besagten, daß internationale Abkommen die vom Vereinigten Königreich unterzeichnet und ratifiziert wurden, keine Rechtskraft vor Britischen Gerichten besitzen. „Es mag für andere Länder eine Überraschung sein, daß ihre Abkommen mit der Britischen Regierung keine Rechtskraft haben können“ scherzte er.

Lewis meinte, es würde hier kein Verfahrensmissbrauch vorliegen, und daher können auch keine Rechte aus der Europakonvention heraufbeschworen werden. Es sei schlicht die normale Vorgehensweise der Justiz, daß Bestimmungen hinsichtlich keiner Auslieferung für politische Vergehen aus dem Abkommen keine Rechtsgültigkeit hätten.

Lewis sagte, daß die US-Regierung abstreite, daß Assanges Vergehen politisch seien. In GB/Australien/USA gäbe es eine Definition von politischen Vergehen, die sich vom Rest der Welt unterscheide. Wir sähen die „rein“ politischen Vergehen Verrat, Spionage und Volksverhetzung als nicht-politische Vergehen an. Nur „relative“ politische Vergehen – gewöhnliche Verbrechen mit politischem Motiv – würden von uns traditionell als politische Vergehen angesehen werden. In dieser Tradition sei außerdem die Definition „politisch“ darauf limitiert, eine politische Partei innerhalb eines Staates zu unterstützten. Lewis wird diese Argumentation morgen fortführen.

Damit schließe ich meinen Bericht der Verhandlungen ab. Ich habe einige wichtige Kommentare hierzu, und werde versuchen die später am heutigen Tage noch zu veröffentlichen. Jetzt eile ich zum Gerichtssaal.

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