Craig Murrays Bericht zur Assange Verhandlung in Belmarsh, Tag 4

Dies ist eine Übersetzung der Berichterstattung des Briten Craig Murray über die Verhandlungen im Fall Julian Assange.

Die Originalquelle findet ihr hier.

Ihr Mann im Gerichtssaal – Assange Anhörung Tag 4

Bitte probieren Sie einmal dieses Experiment.

Stellen sie laut, in einem intellektuellen und verbindlichen Tonfall, diese Frage: „Wollen Sie damit sagen, die zwei hätten den selben Effekt?“.

Jetzt stellen sie noch einmal laut diese Frage, in einem feindseligen Tonfall der in seiner Ungläubigkeit an Sarkasmus grenzt: „Wollen sie damit sagen, die zwei hätten den selben Effekt?“.

Zuerst einmal gratuliere ich Ihnen zu Ihren schauspielerischen Fähigkeiten, sie nehmen Regieanweisungen sehr gut an. Zweitens: Ist es nicht faszinierend, wie die exakt selben Worte, abhängig von Anpassungen in Betonung, Tonlage und Lautstärke, so gegensätzliche Bedeutung übermitteln können?

Gestern fuhr die Anklage damit fort, ihre Argumentation, daß die Bestimmung im GB/US Ablieferungsabkommen von 2007, die die Auslieferung für politische Vergehen verhindert, totes Recht sein, und daß Julian Assanges Absichten ohnehin nicht politisch sein. Kronanwalt der Anklage James Lewis sprach für etwa eine Stunde, und Kronanwalt Edward Fitzgerald Antwort der Verteidigung dauerte in etwa genauso lang. Während Lewis Vortrag wurde dieser von Richterin Baraitser genau einmal unterbrochen. Während Fitzgeralds Antwort hatte Baraitser siebzehn mal etwas einzuwerfen.

Im Protokoll werden diese Unterbrechungen nicht unangemessen erscheinen:
„Könnten Sie das für mich klarifizieren, Mr. Fitzgerald…“
„Also was entgegnen sie Mr. Lewis‘ Standpunkt, daß…“
„Aber sicherlich ist dies ein Zirkelschluss…“
„Aber es ist nicht eingearbeitet, nicht wahr?…“

All diese, und ein dutzend anderer Unterbrechungen, waren dazu konzipiert zu zeigen, daß die Richterin versuchte im Sinne intellektueller Nachfragen die Argumente der Verteidigung klarzustellen. Aber wenn man den Tonfall von Baraitser gehört hat, wenn man ihre Körpersprache und ihre Mimik gesehen hat, dann war es alles, nur nicht das.

Das falsche Bild, daß ein Protokoll abgeben kann, wird dadurch verschärft, daß der höfliche Fitzgerald jede offensichtliche Schikane stets mit „Vielen Dank, Madame, das ist sehr hilfreich“ beantwortete, was ebenfalls, wenn man anwesend war, offensichtlich das Gegenteil meinte. Was ein Protokoll hilfreicher Weise trotzdem zeigen wird, ist die Rabaukenkanzel von Baraitsers Taktik, die darin bestand Fitzgerald wieder und wieder und wieder zu unterbrechen, seine Argumente zu schmälern, und ihn sehr vorsätzlich daran zu hindern, seine Argumentation flüssig vorzutragen. Der Kontrast zu ihrem Umgang mit Lewis könnte nicht stärker ausgeprägt sein.

Nun also zu den juristischen Argumenten an sich.

James Lewis von der Anklage, der mit seiner Argumentation vom Vortag weitermachte, sagte, daß Parlament hätte keine Hürde für Auslieferungen für politische Vergehen im Gesetz von 2003. Dies könne daher nicht durch ein Abkommen wieder in das Gesetz eingeführt werden. „Eine Hürde für politische Vergehen über die Hintertür einzuführen hieße, die Intention des Parlaments zu untergraben.“

Lewis argumentierte weiterhin, daß dies keine politischen Vergehen seien. Die Definition eines politischen Vergehens sei in GB beschränkt auf Verhalten, daß dazu bestimmt sei „eine Regierung zu stürzen oder zu verändern, oder sie dazu zu bringen, ihre Politik zu ändern.“ Weiterhin müsse das Ziel sein, die Regierung oder Politik kurzfristig zu ändern, nicht in unbestimmter Zukunft.

Lewis erläuterte, daß überdies der Begriff „politisches Vergehen“ nur auf Vergehen angewendet werden könne, die innerhalb des Territoriums begangen würden, in denen der Veränderungsversuch stattfinde. Von daher hätte, damit sie als politische Vergehen eingestuft werden können, Assange diese innerhalb des Territoriums der USA begangen haben, was er aber nicht getan habe.

Falls Baraitser entscheiden würde, daß die Hürde für politische Vergehen zutreffe, dann müsse das Gericht die Bedeutung von „politische Vergehen“ im GB/US Auslieferungsabkommen bestimmen, und die Bedeutung von Artikeln 4.1 und 4.2 des Abkommens auslegen. Die Auslegung der Konditionen eines internationalen Abkommens sei außerhalb der Befugnisse des Gerichts.

Lewis schloss seine Rede damit ab, daß das Verhalten Assanges unmöglich als politisches Vergehen eingestuft werden könne. „Es ist unmöglich, Julian Assange in die Position eines politischen Flüchtlings zu setzen.“ Die Aktivitäten, die Wikileaks tätige, seien nicht im eigentlichen Sinne politische Opposition gegen die US-Regierung, oder ein Versuch diese Regierung zu stürzen. Daher seien die Vergehen nicht politisch.

Für die Verteidigung erwiderte Edward Fitzgerald, daß das Auslieferungsgesetz von 2003 ein Ermächtigungsgesetz sei, unter dem Abkommen wirksam werden können. Dem Parlament sei daran gelegen gewesen, jegliches Risiko von Missbrauch der Hürde der politischen Vergehen zu vermeiden, durch die terroristische Gewalttaten gegen unschuldige Zivilisten geschützt werden könnten. Aber es bleibe ein eindeutiger, weltweit anerkannter, Schutz für friedliche politische Dissidenten. Dies spiegele sich im Auslieferungsabkommen wieder, auf dessen Grundlage das Gericht agiere.

Baraitser warf ein, daß das GB/US Auslieferungsabkommen nicht in Englisches Gesetz aufgenommen sei.

Fitzgerald erwiderte, daß das gesamte Auslieferungsgesuch auf Basis des Abkommens existiere. Es sei Verfahrensmissbrauch durch die Autoritäten sich auf das Abkommen zu berufen, dann aber zu behaupten, daß dessen Bestimmungen nicht zuträfen.

„Es ist offensichtlich ein sehr bizarres Argument, daß die Bestimmungen des Abkommens, das diese Auslieferung hervorruft, auf dem diese Auslieferung basiert, außer Acht gelassen werden können. Es ist offensichtlich absurd.“

Edward Fitzgerald, Kronanwalt der Verteidigung.

Fitzgerald fügte hinzu, daß englische Gerichte ständig Abkommen auslegen würden. Er gab Beispiele.

Fitzgerald fuhr damit fort, daß die Verteidigung nicht akzeptiere, daß Verrat, Spionage und Volksverhetzung in England nicht als politische Vergehen angesehen würden. Aber selbst wenn man Lewis‘ zu enge Definition von politischen Vergehen akzeptierte, so würde Assanges Verhalten die Kriterien trotzdem erfüllen. Was um alles in der Welt könne das Motiv hinter der Veröffentlichung von Beweisen zu Kriegsverbrechen und Korruption einer Regierung sein, wenn nicht eine Veränderung der Politik dieser Regierung? Tatsächlich würde das Beweismaterial belegen, daß Wikileaks in der Tat die Politik der US-Regierung geändert hat, insbesondere hinsichtlich des Irak.

Baraitser war ein, daß die Enthüllung von Regierungsverbrechen nicht dasselbe sei, wie die Politik einer Regierung zu verändern. Fitzgerald fragte sie, nach der drölften Unterbrechung endlich mit einer gewissen Entrüstung, welchen anderen Zweck es denn hinter der Enthüllung von Regierungsverbrechen geben könne, wenn nicht die Veränderung der Politik der Regierung?

Damit waren die Eröffnungsansprachen von Anklage und Verteidigung beendet.

Mein persönlicher Kommentar

Lassen Sie mich dies so neutral wie möglich formulieren. Wenn man gerechtfertigter Weise behaupten könnte, daß Lewis Argumentation sehr viel logischer, rationaler und intuitiver war als Fitzgeralds, dann könnte man verstehen, wiese Lewis keinerlei Unterbrechung bedurfte, während Fitzgerald andauernd für „Klarstellungen“ unterbrochen werden musste. In der Tat war es aber Lewis, der dahingehend argumentierte, daß die Bedingungen eben des Abkommens, auf dessen Grundlage die Auslieferungsanhörung stattfindet, hier keine Anwendung fänden. Ein logischer Schluss von dem ich behaupte, den der Mann in dem Clapham Bus (Anm. d. Ü.: Eine hypothetische, vernünftige Person, die im Englischen Justizsystem bisweilen herangezogen wird.) hinterfragenswerter finden würde als die gegenteiligen Aussagen Fitzgeralds‘. Verglichen damit war Baraitsers Belästigung von Fitzgerald, wenn er die Anklage in der Klemme hatte, direkt aus Stalins Handbuch für Schauprozesse.

Die Verteidigung ließ er unerwähnt, und ich weiß nicht, ob es sich in ihren schriftlichen Auseinandersetzungen findet, aber ich fand, daß Lewis Standpunkt, daß dies keine politischen Vergehen seien können, weil Julian Assange sich als er sie beging nicht in den USA aufhielt, atemberaubend unehrlich war. Die USA beanspruchen universelle Zuständigkeit. Assange wird des Verbrechens beschuldigt, Veröffentlicht zu haben während er sich außerhalb der USA aufhielt. Die USA beanspruchen das Recht jeden Menschen, jeglicher Nationalität, überall auf der Welt anzuklagen, der die Interessen der USA schädigt. Hier beanstanden sie zusätzlich, daß die Materialien in den USA im Internet eingesehen werden konnten, es gab also ein Vergehen innerhalb der USA. Gleichzeitig zu behaupten, daß dies kein politisches Vergehen sei, da das Vergehen außerhalb der USA stattgefunden habe sei, wie Edward Fitzgerald sagen würde, offensichtlich absurd. Merkwürdigerweise griff Baraitser diesen Punkt nicht auf.

Lewis‘ Argumentation, daß das Abkommen keine Rechtsgültigkeit in der englischen Gerichtsbarkeit habe ist nichts, was er sich einfach so ausgedacht hat. Nigel Farage hat sich nicht aus dem Nichts materialisiert. Es gibt in der Tat eine seit langem Bestand habende Tradition im Englischen Recht, daß selbst ein unterzeichneter und ratifizierter Vertrag, der mit irgendeinem verdammten ausländischen Land abgeschlossen wurde, in keiner Form für Englische Gerichte bindend sei. Lewis konnte (und tat dies auch) haufenweise Urteile von irgendwelchen alten, Rote-Beete-gesichtigen Richtern verlesen, die in Oberhaus daran festhalten genau dies zu behaupten, bevor sie dann losgehen um Moorhühner zu schießen und den Sohn ihres Lakaien zu verhauen. In den Tin Council Case war Lewis besonders vernarrt.

Natürlich gibt es gegenteilige, aufgeklärtere Gepflogenheiten, und eine Menge Urteile, die das genaue Gegenteil besagen, die meisten davon neueren Datums. Daher gab es so viele repetitive Aussagen, während jede Seite mehr und mehr Aussagen von „Autoritäten“ auf ihrer Seite des Arguments stapelten.

Die Schwierigkeit für Lewis – und für Baraitser – ist, daß dieser Fall nicht damit vergleichbar ist, daß ich mir einen Mars-Riegel kaufe und dann vor Gericht ziehe, weil ein internationales Abkommen über Mars Riegel besagt, daß meiner zu klein sei.

Vielmehr ist das Auslieferungsgesetz von 2003 ein Ermächtigungsgesetz, von dem Auslieferungsabkommen abhängen. Man kann daher nicht ohne ein Abkommen unter dem Gesetz von 2003 ausliefern. Also ist das Auslieferungsabkommen von 2007 in einem sehr konkreten Sinne ein Exekutivinstrument, daß rechtlich benötigt wird um eine Auslieferung zu autorisieren. Die Bedingungen des benötigten Exekutivinstruments zu brechen muss für die exekutive Gewalt einfach ein Verfahrensmissbrauch sein. Von daher ist der Auslieferungsakt, aufgrund seiner Beschaffenheit und seiner Erforderlichkeit für rechtliche Maßnahmen, faktisch durch das Auslieferungsgesetz von 2003 in Englisches Recht aufgenommen.

Das Auslieferungsabkommen ist eine notwendige Voraussetzung für die Auslieferung, während ein Mars-Riegel Abkommen keine notwendige Bedingung dafür ist, einen Mars-Riegel zu kaufen.

Simpler kann ich es nicht formulieren. Ich hoffe, es ist verständlich.

Für Lewis ist es natürlich schwierig, daß am selben Tag das Berufungsgericht gegen den Bau einer dritten Start- und Landebahn am Heathrow Flughafen entschieden hat, zu Teilen weil es inkompatibel mit dem Pariser Abkommen von 2016 sei. Trotz der Tatsache, daß dieses durch das Klimawandelgesetz von 2008 nicht vollständig in Englisches Gesetz aufgenommen ist.

Wichtige persönliche Erfahrung

Es ist hochgradig peinlich für das Außenministerium (FCO), wenn ein Englisches Gericht die Einreichung eines Abkommens zurückweist, daß GB mit einem oder mehreren fremden Staaten abgeschlossen hat. Aus diesem Grund gibt werden, in modernen Zeiten, sehr aufwändige Verfahren und Vorkehrungen getroffen um sicherzugehen, daß dies nicht passieren kann. Daher sollte die Argumentation der Anklage, daß sämtliche Bestimmungen des GB/US Auslieferungsabkommens von 2007 unter dem Auslieferungsgesetz von 2003 nicht umgesetzt werden können, unmöglich sein.

Ich sollte darüber aufklären, daß ich selbst das Inkrafttreten von Abkommen mit dem Außenministerium verhandelt und beaufsichtigt habe. Das letzte, welches ich persönlich mit Band und Siegel (im wahrsten Sinne des Wortes) versehen habe was das Anglo-Belgian Continental Shelf Treaty von 1991, aber ich war auch an den Verhandlungen von weiteren beteiligt. Das System, daß ich beschreiben werde, gab es noch als ich 2005 als Botschafter beim Außenministerium aufhörte, und ich meine, daß es bis heute unverändert ist (und erinnere daran, daß das Auslieferungsgesetz von 2003 stammt, das GB/US Auslieferungsabkommen 2007 ratifiziert wurde, mein Wissen als nicht veraltet ist). Amtliche Nomenklatur ändert sich bisweilen, ebenso wie strukturelle Organisation. Aber die Ämter und Funktionen die ich beschreiben werde bleiben erhalten, selbst wenn sich Bezeichnungen ändern.

Alle internationalen Abkommen haben einen zweischrittigen Ablauf. Zuerst werden sie unterzeichnet, um zu zeigen, daß die Regierung dem Abkommen zustimmt. Dann, nach einer Verzögerung, werden sie ratifiziert. Diese zweite Phase findet satt, wenn die Regierung die Legislative und andere benötigte Behörden eingeschaltet hat, um das Abkommen umzusetzen. Dies ist die Antwort auf Lewis Betrachtungen zur Rolle der Exekutive und Legislative. Der Ratifizierungsprozess findet erst nach sämtlichen benötigten legislativen Handlungen statt. Das ist Sinn und Zweck des ganzen.

So läuft das im Außenministerium ab. Beamten verhandeln das Auslieferungsabkommen. Es wird für das Vereinigte Königreich unterschrieben. Das unterzeichnete Abkommen geht dann zurück an die rechtlichen Berater des FCO, das Nationality and Treaty Department, das Consular Department, das North American Department und andere, und wird weitergeschickt an Juristen des Finanzministeriums, des Cabinet Office, und zum Innenministerium, zum Parlament und zu allen anderen Regierungsabteilungen, deren Bereich durch das jeweilige Abkommen beeinflusst wird.

Das Abkommen wird ausführlich überprüft, um sicherzugehen, daß es in allen Zuständigkeitsbereichen der Vereinigten Königreichs vollständig implementiert werden kann. Wenn es das nicht kann, dann müssen Gesetzesänderungen vorgenommen werden, damit es das kann. Diese Gesetzesänderungen können als Gesetz vom Parlament erlassen werden, oder allgemeiner durch Sekundärgesetzgebung durch Befugnisse die dem Außenminister per Gesetz gegeben sind. Sollte es bereits ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz geben, unter welchem das Abkommen implementiert werden kann, dann braucht kein Ermächtigungsgesetz verabschiedet werden. Internationale Abkommen werden nicht durch spezielle neue Gesetze einzeln in Englisches oder Schottisches Recht aufgenommen.

Dies ist ein sehr vorsichtiger Schritt-für-Schritt Vorgang, der von Anwälten und Beamten aus dem Außenministerium, Cabinet Office, Innenministerium, Parlament und Andernorts ausgeführt wird. Jeder für sich wird jede einzelne Klausel des Abkommens durchsehen und überprüfen, daß es anwendbar ist. Alle Veränderungen die benötigt werden, um das Abkommen in Kraft setzen zu können, müssen vorgenommen werden – Gesetzesänderungen, und die notwendigen administrativen Schritte. Erst wenn alle Hürden beseitigt worden sind, einschließlich der Legislative, und wenn Parlamentsbeamte, Finanzministerium, Cabinet Office, Innenministerium und Außenministerium all bestätigen, daß das Abkommen fähig ist in GB in Kraft zu treten, erst dann werden die Rechtsberater des Außenministerium das Startsignal für die Ratifizierung des Abkommens geben. Man kann auf gar keinen Fall ein Abkommen ratifizieren bevor nicht die Rechtsberater des Außenministeriums die Freigabe erteilt haben.

Das ist ein schwerwiegender Prozess. Darum wurde das US/UK Auslieferungsabkommen 2003 unterzeichnet, und 2007 ratifiziert. Das ist keine abnormale Verzögerung.

Ich weiß also sicher, daß ALLE relevanten Abteilungen der Britische Regierung zugestimmt haben MÜSSEN, daß Artikel 4.1 des UK/US Auslieferungsabkommens befähigt war, unter dem Auslieferungsgesetz von 2003 in Kraft zu treten. Diese Bescheinigung muss stattgefunden haben, sonst hätte das Abkommen niemals ratifiziert werden können.

Daraus folgt notwendigerweise, daß die Regierung GBs, indem sie nun versucht zu argumentieren, daß Artikel 4.1 mit dem Gesetz von 2003 unvereinbar sei, bewusst lügt. Es könnte keine gröbere Form des Verfahrensmissbrauches geben.

Ich war sehr gespannt auf den Schluss der Verhandlung in diesem speziellen Punkt, damit ich Ihnen den Vorteil meiner Erfahrung zuteil kommen lassen kann. Daher werde ich hier enden, hoffe aber später am heutigen Tage noch mehr über den Streit über die Befreiung Julians aus seiner gepanzerten Anti-Terroristen Zelle zu berichten.

Craig Murrays Bericht zur Assange Verhandlung in Belmarsh, Tag 3

Dies ist eine Übersetzung der Berichterstattung des Briten Craig Murray über die Verhandlungen im Fall Julian Assange.

Die Originalquelle findet ihr hier.

Ihr Mann im Gerichtssaal – Assange Anhörung Tag 3

Während der gestrigen Verhandlungen im Gerichtsaal nahm die Anklage eine Argumentation ein, die dermaßen krass und offensichtlich unsinnig war, daß ich mir Sorgen darum mache, wie ich diese wiedergeben konnte, ohne daß das Geschriebene wie eine Karikatur oder unfaire Übertreibung meinerseits erscheinen würde. Was in diesem Gerichtssaal vorgegangen ist, ist mittlerweile weit über das karikative hinaus gegangen. Alles was ich tun kann, ist ihnen meine persönliche Versicherung zu geben, daß was ich hier wiedergebe auch das ist, was wirklich passiert ist.

Wie gewohnt werde ich mit Verfahrensangelegenheiten und dem Umgang mit Julian beginnen, bevor ich einen übersichtlichen Bericht der rechtlichen Argumentationen beginne.

Vanessa Baraitser hat offensichtlich klare Anweisungen erhalten, Rücksicht vorzutäuschen, indem sie, kurz vor Ende jeder Sitzung, fragt, ob Julian sich wohlfühle, und ob er eine Pause wünsche. Daraufhin ignoriert sie regelmäßig seine Antwort. Gestern antwortete er recht ausführlich, daß er in seinem Glaskäfig nicht richtig hören könne was vorgehe, und daß er nicht mit seinen Anwälten kommunizieren könne (irgendwann während der gestrigen Verhandlungen fingen sie damit an, ihn daran zu hindern, Notizen an seine Anwälte weiterzureichen, was, wie ich erfahren habe, der Hintergrund für die aggressive Art war, auf die er daran gehindert wurde, Garzon zum Abschied die Hand zu geben).

Baraitser bestand darauf, daß er nur mittels seiner Anwälte angehört werden dürfe, etwas was angesichts der Tatsache, daß er ihnen keine Anweisungen geben konnte, etwas lächerlich war. Nachdem hierauf hingewiesen wurde, gab es eine zehn minütige Unterbrechung, während derer Julian und seinen Anwälten erlaubt wurde unten in den Zellen zu sprechen – vermutlich konnten sie dort einfacher abgehört werden.

Nachdem sie zurückkehrten, reichte Edward Fitzgerald eine förmlich Anfrage ein, es Julian zu erlauben, neben seinen Anwälten im Gerichtssaal zu sitzen. Julian sei „ein sanfter, intellektueller Mann“, und kein Terrorist. Baraitser erwiderte, daß eine Befreiung Assanges aus der Zelle in den Gerichtsaal bedeuten würde, daß er aus dem Gewahrsam entlassen sei. Um dies zu erreichen würde es eines Kautionsantrags bedürfen.

Abermals intervenierte der Anwalt der Anklage, James Lewis, auf Seiten der Verteidigung, um zu versuchen die Behandlung Julians weniger extrem zu gestalten. Er sei sich, deutete er schüchtern an, nicht ganz sicher, ob es korrekt sei, daß es einer Kaution bedürfe, um es Julian zu erlauben im Gerichtssaal zu sein, oder ob ein Aufenthalt im Gerichtssaal, begleitet von Sicherheitsbeamten, bedeute, daß der Gefangene sich nicht länger in Gewahrsam befinde. Gefangene, selbst die gefährlichsten Terroristen, tätigten ihre Aussagen vom Zeugenstand im Gerichtssaal, neben Anwälten und Richtern. Am Hohen Gerichtshof säßen Gefangene regelmäßig mit ihren Anwälten in Auslieferungsanhörungen, in extremen Fällen gewalttätiger Verbrecher mit Handschellen an einen Sicherheitsbeamten gekettet.

Baraitser antwortete, daß Assange eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen könne. Es sei eine Frage sowohl der Gesundheit, als auch der Sicherheit. Wie kämen Fitzgerald und Lewis darauf, daß sie in der Lage sei, die nötigen Risikoeinschätzungen hinzubekommen? Es müsse an Group 4 liegen zu entscheiden, ob dies möglich sei.

Ja, sie hat wirklich gesagt, daß Group 4 entscheiden müsse.

Baraitser begann in einem Jargon wie ein Dalek zu sprechen, wenn er außer Kontrolle gerät. Begriffe wie „Risikoeinschätzung“ und „Gesundheit und Sicherheit“ kamen häufig vor. Sie begann etwas schlimmerem als einem Dalek zu gleichen, einem besonders dummen und minderwertigen örtlichen Regierungsbeamten. „Keine Zuständigkeit“- „Liege an Group 4“. Nachdem sie sich etwas erholte, erklärte sie, daß eine Überführung in Gewahrsam nur die Zelle im Gerichtssaal bedeuten könne, und nirgends sonst innerhalb des Raumes. Falls die Verteidigung ihn innerhalb des Gerichtssaal haben wolle, wo er die Verhandlungen besser hören könne, dann bliebe es ihnen nur übrig einen Kautionsantrag und eine generelle Entlassung aus dem Gewahrsam zu beantragen. Sie starrte daraufhin die zwei Rechtsanwälte an, in der Hoffnung daß sich beide setzen würden, aber beide blieben stehen.

Mit seiner schüchternen Art (von der ich zugebe, daß sie mir sympathisch wird) sagte Lewis „die Anklage ist in Bezug auf diese Anfrage selbstverständlich neutral, aber, ähh, ich glaube wirklich nicht, daß das richtig ist“. Er sah sie an wie ein gütiger Onkel, dessen Nichte gerade angefangen hat während einer Familienfeier Tequila aus der Flasche zu trinken.

Baraitser beendete die Angelegenheit indem sie erklärte, die Verteidigung könne bis 10:00 am morgigen Tage eine schriftliche Auseinandersetzung zu diesem Thema einreichen, und daß sie dann eine separate Anhörung zur Klärung der Frage von Julians Aufenthaltsort innerhalb des Gerichtssaals abhalten würde.

Der Tag hatte damit angefangen, daß eine sehr wütende Richterin Baraitser die Besucherbank angesprochen hatte. Gestern, sagte sie, sei ein Foto innerhalb des Gerichtssaals aufgenommen worden. Es sei eine Straftat, Fotos innerhalb des Gerichtssaals aufzunehmen, oder zu versuchen Fotos innerhalb des Gerichtssaals aufzunehmen. Vanessa Baraitser wirkte in diesem Moment sehr erpicht darauf, jemanden einzusperren. In ihrem Zorn schien sie außerdem die unbegründete Annahme zu machen, daß wer auch immer von der Besucherbank das Foto am Dienstag geschossen hatte, am Mittwoch immer noch da war; ich vermute nicht. Willkürlich auf die Öffentlichkeit wütend zu sein muss für sie sehr anstrengend sein. Ich vermute, sie schreit sehr häufig beim Bahnfahren.

Ms Baraitser mag die Fotografie nicht – sie scheint die einzige öffentliche Person in Westeuropa, von der es kein Foto im Internet gibt. Tatsächlich hinterlässt der durchschnittliche Besitzer einer ländlichen Autowaschanlage mehr Hinweise über seine Existenz und Lebensgeschichte im Internet, als Vanessa Baraitser. Dies ist kein Verbrechen ihrerseits, aber ich gehe davon aus, daß diese Tilgung nicht ohne beträchtliche Anstrengungen erreicht wird. Jemand suggerierte mir gegenüber, daß sie ein Hologramm sein könnte, aber ich glaube kaum. Hologramme besitzen mehr Empathie.

Ich war amüsiert von dem Straftatbestand des Versuches ein Foto im Gerichtssaal aufzunehmen. Wie inkompetent muss man sein, um zu versuchen ein Foto aufzunehmen, und daran zu scheitern? Und wenn kein Foto geschossen wurde, wie würden sie nachweisen, daß man versucht hatte eines aufzunehmen anstatt seiner Mutter eine Nachricht zu schreiben. Ich nehme an „zu versuchen ein Foto aufzunehmen“ ist ein Verbrechen, das man jemandem unterstellen könnte, der mit einer großen Spiegelreflexkamera, einem Stativ und mehreren Scheinwerfern ankommt, aber wie es scheint sind davon keine im Gerichtssaal angekommen.

Baraitser führte nicht aus, ob es ein Straftatbestand sei, ein Foto, das in einem Gerichtssaal aufgenommen, wurde zu veröffentlichen (oder gar, zu versuchen, ein Foto, das in einem Gerichtsaal aufgenommen wurde, zu veröffentlichen). Ich vermute dem ist so. Jedenfalls hat „Le Grand Soir“ eine Übersetzung meines gestrigen Reports veröffentlicht, und dort kann man ein Foto von Julian in seinem kugelsicheren Anti-Terroristen Glaskäfig sehen. Nicht, beeile ich mich hinzuzufügen, von mir aufgenommen.

Kommen wir nun zu den Erwägungen der gestrigen juristischen Argumentation bezüglich der Auslieferungsanfrage. Glücklicherweise sind diese eigentlich recht einfach zusammenzufassen, denn obwohl es fünf Stunden rechtlicher Abhandlungen gab, so bestanden diese weitestgehend daraus, daß beide Seiten darin konkurrierten, dutzende von „Autoritäten“, z.B. verstorbene Richter, zu zitieren, um ihren Standpunkt zu bestätigen. Dadurch wurden die selben Ansichten ständig wiederholt, mit wenig wirklichem Mehrwert durch die Auslegung der unzähligen Zitate.

Wie gestern bereits von Richterin Baraitser angedeutet, argumentiert die Anklage, daß Artikel 4.1 des GB/US Auslieferungsabkommens rechtlich nicht bindend sei.

Die Regierungen von GB und den USA sagen, daß der Gerichtshof nationales Recht vollstrecke, nicht internationales Recht, und daß daher das Abkommen keine Klageberechtigung habe. Diese Ansicht wurde dem Gericht in schriftlicher Form eingereicht, worauf ich keinen Zugriff habe. Aber aus der Diskussion vor Gericht war es klar ersichtlich, daß die Anklage argumentiert, daß das Auslieferungsgesetz von 2003, unter welchem das Gericht operiert, keine Ausnahme für politische Vergehen mache. Alle vorherigen Auslieferungsgesetze hätten die Auslieferung wegen politischer Vergehen ausgeschlossen, also müsse es die Intention des regierenden Parlaments sein, daß politische Straftäter nun ausgeliefert werden können.

Kronanwalt Edward Fitzgerald eröffnete seine Argumentation mit dem Einwand, daß das Auslieferungsgesetz von 2003 allein nicht ausreiche, um tatsächlich eine Auslieferung vorzunehmen. Die Auslieferung benötige zwei Dinge; das allgemeine Auslieferungsgesetz, und das Auslieferungsabkommen mit dem oder den betroffenen Ländern. „Kein Abkommen, keine Auslieferung“ sei eine unumstößliche Regel. Das Abkommen zuvorderst sei die Grundlage der Anfrage. Daher sei die Behauptung, daß die Auslieferung nicht durch die Konditionen eben des Abkommens geregelt werde, unter dem sie stattfinde, die Erschaffung einer juristischen Absurdität, und damit Verfahrensmissbrauch. Er zitierte Beispiele aus Rechtsprechungen durch das Oberhaus und den Kronrat, in denen Staatsverträge als vollstreckbar angesehen worden seien, trotz fehlender Einbindung in nationale Gesetzgebung. Insbesondere um zu verhindern, daß Menschen an britische Kolonien ausgeliefert werden in denen sie potentiell hingerichtet würden.

Fitzgerald verwies darauf, daß während das Auslieferungsgesetz von 2003 keine Hürde bezüglich der Auslieferung für politische Vergehen beinhalte, es auch nicht festlege, daß es keine derartige Hürde in Auslieferungsabkommen geben könne. Und das Auslieferungsabkommen von 2007 wurde nach dem Auslieferungsgesetz von 2003 ratifiziert.

An diesem Punkt unterbrach Baraitser, und sagte, es sei offensichtlich die Absicht des Parlaments, daß es Auslieferungen für politische Vergehen geben könne. Ansonsten hätten sie nicht diese Hürde aus der vorherigen Gesetzgebung entfernt. Fitzgerald lehnte es ab, dem zuzustimmen, und sagte, das Gesetz sage nicht aus, daß die Auslieferung für politische Vergehen nicht durch die Abkommen verboten werden könne, die die Auslieferung ermöglichen.

Fitzgerald fuhr damit fort zu erläutern, daß die internationale Rechtsprechung es seit einem Jahrhundert oder länger anerkannt habe, daß man niemanden wegen politischer Vergehen ausliefere. „Keine Politische Auslieferung“ finde sich im Europäischen Auslieferungsübereinkommen, im Musterauslieferungsabkommen der Vereinten Nationen und im Interpol Übereinkommen zu Auslieferungen. Sie sei in jedem einzelnen Auslieferungsabkommen der Vereinigten Staaten von Amerika zu finden, dem ist so seit über einem Jahrhundert, und dies auf Bestehen der Vereinigten Staaten. Wenn die Regierungen von sowohl GB als auch den USA nun festlegtet, daß dies nicht zutreffen würde, dann wäre das verwunderlich und würde einen schrecklichen Präzedenzfall darstellen, der Dissidenten und mögliche politische Gefangene Chinas, Russlands und von Regimes auf der ganzen Welt gefährden würde, die es geschafft haben in Drittländer zu fliehen.

Fitzgerald erläuterte, daß alle wesentlichen Autoritäten übereinstimmen würden, daß es zwei Typen politischer Vergehen gäbe. Das rein politische Vergehen, und das relativ politische Vergehen. Ein „rein“ politisches Vergehen sei definiert als Verrat, Spionage oder Volksverhetzung. Ein „relativ“ politisches Vergehen sei eine normalerweise kriminelle Tat, wie ein tätlicher Angriff oder Vandalismus, die aus politischen Motiven begangen wurde. Jede einzelne der Anschuldigen gegen Assange seien „rein“ politische Vergehen. Alle bis auf eine seien Anschuldigungen wegen Spionage, und die Anschuldigungen wegen unautorisierten Zugriffs auf Computer wurden von der Anklage mit einem Bruch des Amtsgeheimnisgesetzes verglichen, um die Kriterien für beiderseitige Strafbarkeit zu erfüllen. Die übergeordnete Anschuldigung, daß Assange versuche die politischen und militärischen Interessen der USA zu schädigen, sei in allen Definitionen von politischen Vergehen sämtlicher Autoritäten enthalten.

In Erwiderung sagte Lewis, daß ein Abkommen nach Englischem Recht nicht binden seien könne, es sei denn es werde vom Parlament spezifisch in Englisches Recht aufgenommen. Dies sei ein notwendiger demokratischer Verteidigungsmechanismus. Abkommen werden von der Exekutive getätigt, die keine Gesetze machen könne. Dies stehe der Parlamentssouveränität zu. Lewis zitierte etliche Richtersprüche, die besagten, daß internationale Abkommen die vom Vereinigten Königreich unterzeichnet und ratifiziert wurden, keine Rechtskraft vor Britischen Gerichten besitzen. „Es mag für andere Länder eine Überraschung sein, daß ihre Abkommen mit der Britischen Regierung keine Rechtskraft haben können“ scherzte er.

Lewis meinte, es würde hier kein Verfahrensmissbrauch vorliegen, und daher können auch keine Rechte aus der Europakonvention heraufbeschworen werden. Es sei schlicht die normale Vorgehensweise der Justiz, daß Bestimmungen hinsichtlich keiner Auslieferung für politische Vergehen aus dem Abkommen keine Rechtsgültigkeit hätten.

Lewis sagte, daß die US-Regierung abstreite, daß Assanges Vergehen politisch seien. In GB/Australien/USA gäbe es eine Definition von politischen Vergehen, die sich vom Rest der Welt unterscheide. Wir sähen die „rein“ politischen Vergehen Verrat, Spionage und Volksverhetzung als nicht-politische Vergehen an. Nur „relative“ politische Vergehen – gewöhnliche Verbrechen mit politischem Motiv – würden von uns traditionell als politische Vergehen angesehen werden. In dieser Tradition sei außerdem die Definition „politisch“ darauf limitiert, eine politische Partei innerhalb eines Staates zu unterstützten. Lewis wird diese Argumentation morgen fortführen.

Damit schließe ich meinen Bericht der Verhandlungen ab. Ich habe einige wichtige Kommentare hierzu, und werde versuchen die später am heutigen Tage noch zu veröffentlichen. Jetzt eile ich zum Gerichtssaal.

Craig Murrays Bericht zur Assange Verhandlung in Belmarsh, Tag 2

Dies ist eine Übersetzung der Berichterstattung des Briten Craig Murray über die Verhandlungen im Fall Julian Assange.

Die Originalquelle findet ihr hier.

Ihr Mann im Gerichtssaal – Assange Anhörung Tag 2

Diesen Nachmittag hat Julians spanischer Anwalt Baltasar Garzon die Gerichtsverhandlung verlassen, um nach Madrid zurückzukehren. Auf dem Weg nach draußen hielt er selbstverständlich inne, um seinem Mandanten die Hand zu schütteln, wofür er seine Hand durch den schmalen Spalt in dem kugelsicheren Glaskäfig steckte. Assange war halb aufgestanden um seinem Anwalt die Hand zu reichen. Die zwei Sicherheitsleute in dem Käfig sprangen sofort auf, packten Julian, zwangen ihn dazu sich wieder zu setzen und verhinderten den Händedruck.

Dies war bei weitem nicht das schlimmste was heute passiert ist, aber es ist ein eindrucksvolles Bild für die sinnlos brutale Gewalt die fortwährend gegen einen Menschen angewandt wird, der der Veröffentlichung von öffentlichen Dokumenten bezichtigt wird. Daß jemand nicht einmal seinem Anwalt zum Abschied die Hand schütteln kann, ist gänzlich gegen den Geist, in dem Angehörige des Justizsystems vorgeben, daß das Recht praktiziert werde. Ich zeige diesen erschreckenden Moment hier als bezeichnend für die gestrigen Geschehnisse im Gerichtssaal auf.

Am Tag Zwei hatten die Verhandlungen mit einer Aussage von Edward Fitzgerald, Assanges verteidigender Kronanwalt, begonnen, die uns rüde wachrüttelte. Er gab an, daß Julian gestern, am ersten Tage des Prozesses, zweimal nackt ausgezogen und durchsucht worden sei, elf mal Handschellen angelegt bekommen hat, und fünf mal in unterschiedlichen Aufbewahrungszellen eingesperrt worden ist. Weiterhin wurden ihm sämtliche Gerichtsdokumente von den Gefängnismitarbeitern weggenommen, einschließlich der geschützten Kommunikation zwischen ihm und seinen Anwälten, und es wurde ihm keine Möglichkeit gelassen, sich auf die Beteiligung am heutigen Verfahren vorzubereiten.

Richterin Baraitser sah Fitzgerald an und erklärte in einem geringschätzigen Tonfall, daß er solche Angelegenheiten schon zuvor angesprochen habe, und daß sie jedes mal geantwortet habe, daß sie keine Zuständigkeit über das Gefängnis habe. Er solle sich an die Gefängnisbehörden wenden. Fitzgerald blieb stehen, was ihm sehr finstere Blicke von Baraitser einbrachte, und erwiderte, daß sie dies selbstverständlich noch einmal tun würden, daß jedoch dieses wiederholte Verhalten der Gefängnisbehörden die Fähigkeit der Verteidigung gefährde, sich vorzubereiten. Er fügte hinzu, daß es, nach seiner Erfahrung, ungeachtet der Zuständigkeiten, gängige Praxis sei, daß Richter und Staatsanwälte Anmerkungen und Anfragen an die Gefängnisbehörden weiterleiten würden, wenn diese die Durchführung des Prozesses beträfen, und daß Gefängnisse den Gerichten normalerweise wohlwollend entgegenkämen.

Baraitser verneinte geradeheraus jegliche Kenntnis über derartige Gepflogenheiten, und sagte, Fitzgerald solle ihr eine schriftliche Auseinandersetzung mit der gültigen Rechtsprechung bezüglich der Zuständigkeit über Gefängnisbedingungen einreichen. Dies war selbst dem anklagenden Staatsanwalt James Lewis zu viel, welcher sich erhob um zu erklären, daß auch die Anklage eine faire Verhandlung für Assange wünsche, und daß er bestätigen könne, daß das, was die Verteidigung vorgeschlagen hatte, gängige Praxis sei. Selbst danach weigerte sich Baraitser noch einzugreifen. Sie gab an, daß, wenn die Gefängnisbedingungen so schlimm wären, daß dadurch eine faire Verhandlung unmöglich gemacht würde, dann solle die Verteidigung einen Antrag stellen die Vorwürfe auf dieser Grundlage fallen zu lassen. Ansonsten sollten sie mit dem Thema aufhören.

Sowohl Anklage als auch Verteidigung schienen überrascht von Baraitsers Behauptung, nicht von dem, was beide als gängige Praxis bezeichnet hatten, gehört zu haben. Möglicherweise war Lewis aufrichtig schockiert von der Schilderung von Assanges gestriger Behandlung durch das Gefängnis; oder bei ihm sind die Alarmsirenen losgegangen und haben „Fehlprozess“ geschrien. Doch das Endergebnis ist, daß Baraitser nichts unternehmen wird, um Julians physische und mentale Misshandlung im Gefängnis zu unterbinden, und auch nicht versuchen wird, ihm die Möglichkeit zu geben, an seiner Verteidigung teilzunehmen. Die einzige realistische Erklärung die mir hier einfällt ist, daß Baraitser davor gewarnt worden ist sich einzumischen, daß also diese anhaltende Misshandlung und die Konfiszierung von Dokumenten auf Autorität von hohen Regierungsautoritäten stattfindet.

Ein letzter kleiner Zwischenfall den ich wiedergeben möchte: Nachdem ich mich wieder zu früher Stunde angestellt hatte, befand ich mich in der letzten Warteschlange vor dem Eingang zu den öffentlichen Plätzen im Gerichtssaal, als der Name von Kristin Hrnafsson, dem Chefredakteur von Wikileaks, aufgerufen wurde, mit dem ich mich zu dem Zeitpunkt unterhielt. Kristin gab sich zu erkennen, und wurde vom Hofbeamten darüber informiert, daß er von den öffentlichen Plätzen des Gerichtssaals ausgeschlossen sei.

Kristin und ich hatten die gesamten Vorgänge des vorherigen Tages gemeinsam verfolgt, und er hat sich absolut gar nichts zuschulden kommen lassen – er ist ein eher ruhiger Gentleman. Als er aufgerufen wurde geschah dies mit Namen und Tätigkeitsbeschreibung – sie schlossen explizit den Chefredakteur von Wikileaks von dem Verfahren aus. Kristin fragte nach dem Grund und erhielt als Antwort, daß dies eine Entscheidung des Gerichtes sei.

An diesem Punkt kündigte John Shipton, Julians Vater, an, daß in diesem Falle auch sämtliche Familienmitglieder der Gerichtssaal verlassen würden, was sie auch taten und das Gebäude verließen. Dann begannen sie und andere damit, die Nachricht von dem geschlossenen Familienauszug aus dem Gerichtssaal bei Twitter zu verbreiten. Dies schien eine gewisse Fassungslosigkeit bei den Gerichtsbeamten hervorzurufen, und fünfzehn Minuten später wurde Kristin der Zutritt wieder gewährt. Wir habe noch immer keine Ahnung, was der Hintergrund war. Im Verlaufe des Tages wurde Journalisten von den Beamten erklärt, es habe sich schlicht um einen Fall von Vordrängelei gehandelt, aber das erscheint unwahrscheinlich. Schließlich wurde er mit Namen und Berufsbeschreibung aufgerufen, und nicht von einem Ordner beim Vordrängeln erwischt.

Nichts von dem Geschilderten hat mit den offiziellen Belangen in diesem Fall zu tun. Alles von dem Geschilderten sagt mehr über die drakonische Natur des hier stattfindenden politischen Schauprozesses aus, als die Scharade die im Gerichtssaal aufgeführt wird. Es gab am heutigen Tag Augenblicke, in denen ich in den Prozess hineingezogen wurde und die Aussetzung der Ungläubigkeit erreichte, die man bisweilen im Theater erfährt, und ich fing an mir zu denken „Wow, der Fall läuft gut für Assange“. Dann treten Vorgänge wie die geschilderten ein, einem friert das Herz, und man entsinnt sich, daß es hier keine Jury gibt, die überzeugt werden könnte. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß irgendetwas von dem, was vor Gericht gesagt oder bewiesen wird, einen Einfluss auf das Urteil dieses Gerichts haben kann.

Nun zu den eigentlichen Geschehnissen des Falls.

Für die Verteidigung gab Kronanwalt Mark Summers zu Protokoll, daß die die Vorwürfe der USA in Gänze von drei faktischen Beschuldigungen an Assange abhängen:

1) Assange half Manning dabei, einen Hashkey zu dekodieren, um auf geheimes Material zuzugreifen.
Summers erklärte, dies sei laut Beweismaterial aus dem militärgerichtlichen Verfahren gegen Manning eine nachweislich falsche Anschuldigung.

2) Assange bedrängte Manning, daß Material herauszugeben.
Summers erklärte, dies laut öffentlich zugänglichen Informationen nachweislich falsch.

3) Assange gefährdete vorsätzlich Menschenleben.
Summers erklärte, dies sei nachweislich falsch, sowohl durch öffentlich zugängliche Informationen als auch durch spezifische Einbeziehung der US-Regierung.

Zusammengefasst sagte Summers, die US-Regierung wisse, daß die Anschuldigungen falsch seien, und daß diese Anschuldigungen nachweisbarerweise in böser Absicht getätigt wurden. Danach handele es sich hier um Verfahrensmissbrauch, was zu einer Abweisung des Falls und des Auslieferungsantrags führen sollte. Er nannte die drei oben genannten Anschuldigungen „Blödsinn, Blödsinn und Blödsinn“.

Anschließend führte Summers durch die Fakten dieses Falls. Er sagte, die Anschuldigungen der USA trennen die Materialien die von Manning an Wikileaks geleitet wurden in vier Kategorien (im Original ist hier (vermutlich irrtümlich) von nur drei Kategorien die Rede, es werden jedoch vier gelistet)

a) Diplomatische Depeschen
b) Gutachten über Guantanmo-Insassen
c) Einsatzregeln im Irakkrieg
d) Kriegstagebücher Afghanistan und Irak

Summers ging methodisch durch a), b), c) und d), bezog diese jeweils auf die Anschuldigungen 1), 2) und 3), was insgesamt zwölf auszuführende und zu erläuternde Punkte ergab. Dieser umfassende Bericht benötigte etwa vier Stunden, und ich werde nicht versuchen diesen hier zusammenzufassen. Stattdessen werde ich nur Höhepunkte aufzeigen, werde aber mitunter auf die entsprechende Anschuldigungsziffer und/oder den entsprechenden Materialbuchstaben verweisen. Ich hoffe Sie werden dem folgen können – ich habe eine Weile dafür gebraucht!

Zu 1) legte Summers schlüssig und in aller Ausführlichkeit dar, daß Manning zu jedem der Materialien a) b) c) d), die sie an Wikileaks lieferte, Zugang hatte, ohne dafür irgendwelchen Code von Assange zu benötigen, und daß sie diesen Zugang hatte bevor sie Assange überhaupt zum ersten mal kontaktierte. Auch benötigte Manning keinen Code um ihre Identität zu verbergen, wie die Anklage behauptet – die Datenbank für Geheimdienstanalysten, auf die Manning – wie auch tausende andere – Zugriff hatte, benötigte weder Nutzernamen noch Passwort um von einem Computer an einem militärischen Arbeitsplatz aus aufgerufen zu werden. Summer zitierte Zeugenaussagen mehrerer Offiziere aus Mannings Gerichtsverhandlung, um dies zu bestätigen. Auch würde ein Knacken des Administratorkennworts für das System Manning keinen Zugriff auf weiteres Material geben. Summers zitierte Beweismaterial aus dem Militärgerichtsverfahren zu Manning, welches anerkannt hatte, daß der Grund, aus dem Manning Administratorrechte haben wollte war, Soldaten zu erlauben Videospiele und Filme auf ihre Regierungslaptops zu laden, etwas was eigentlich regelmäßig passiert.

Richterin Baraitser unterbrach zwei mal. Sie warf ein, daß Chelsea Manning, falls sie nicht wusste, daß sie nicht als die Nutzerin, die die Datenbank heruntergeladen hat, ausfindig gemacht werden kann, daß sie dann Assanges Unterstützung beim Knacken des Passworts erbeten haben könne um ihre Identität zu schützen, aus Unwissenheit darüber, daß dies nicht nötig war, und daß eine Unterstützung dann trotzdem eine Straftat seitens Assange wäre.

Summers wies darauf hin, daß Manning wusste, daß sie weder Nutzernamen noch Passwort bräuchte, da sie auch ohne bereits auf alle Materialien zugegriffen hatte. Baraitser erwiderte, daß dies nicht den Beweis erbringe, daß sie (Manning) wisse, daß sie nicht rückverfolgt werden könne. Summers sagte, daß es logisch keinen Sinn ergäbe zu argumentieren, daß sie versuchen würde ein Passwort zu erlangen um ihren Nutzernamen und ihr Passwort zu verbergen, wenn es keinen Nutzernamen und kein Passwort gäbe. Baraitser erwiderte abermals, daß er dies nicht beweisen könne. An diesem Punkt wurde Summers etwas gereizt und barsch gegenüber Baraitser, und ging abermals mit ihr durch das Beweismaterial aus dem Militärgericht. Dazu mehr…

Baraitser argumentierte auch, daß selbst wenn Manning geholfen hätte, ein Administratorkennwort zu knacken, auch wenn dies Manning keinen Zugriff auf weitere Datenbanken geben würde, daß es sich trotzdem um unautorisierten Zugriff handeln würde und den Tatbestand der Beihilfe zum unautorisierten Zugriff auf Daten erfüllen würde, selbst wenn es für einen harmlosen Zweck geschehe.

Nach einer kurzen Pause kam Baraitser mit einem echten Hammer zurück. Sie sagte Summers, daß er die Ergebnisse des US-Militärgerichtsverfahrens gegen Chelsea Manning als Fakten dargestellt habe. Sie sei aber nicht der Meinung, daß ihr Gericht die Beweise eines US-Militärgerichts, selbst genehmigte oder unangefochtene Beweise, oder Beweise die von der Anklage vorgelegt wurden, als Fakten ansehen müsse. Summers erwiderte, daß zugelassene Beweise, oder Beweise der Anklage an einem US-Militärgericht doch sicherlich von der US-Regierung als Fakten anerkannt würden, und daß es doch im Moment darum ginge, ob die US-Regierung gegenteilig der ihr bekannten Fakten Anklage erhebe. Baraitser sagte, sie werde auf ihren Punkt zurückkommen nachdem die Zeugen gehört wurden.

Baraitser gab sich keine Mühe mehr, ihre Feindseligkeit gegenüber der Argumentation der Verteidigung zu verbergen, und schien gereizt, daß diese die Dreistigkeit hatten diese vorzubringen. Dies brach hervor als c) besprochen wurde, die Einsatzregeln im Irakkrieg. Summers argumentierte, daß diese nicht von Manning erbeten worden sind, sondern daß sie diese vielmehr zusammen mit dem Collateral Murder Video, das den Mord an Reuters-Journalisten und Kindern zeigt, zur Verfügung gestellt hatte. Mannings Ziel war, wie sie bei ihrer Gerichtsverhandlung aussagte, zu zeigen, daß die Collateral Murder Handlungen einen Bruch der Einsatzregeln darstellen, auch wenn das Verteidigungsministerium anderes behauptete. Summers gab an, daß der US-Auslieferungsangtrag dadurch, daß er diese Zusammenhänge nicht beinhalte, bewusst irreführend sei, da dort das Collateral Murder Video nicht einmal erwähnt sei.

Zu diesem Zeitpunkt konnte Baraitser ihre Verachtung nicht mehr verbergen. Stellen Sie sich Lady Bracknell vor, wie sie „A Handbag“ oder „the Brighton line“ sagt. Oder, wenn ihre Bildung in anderen Bahnen verlief, stellen Sie sich Pritti Patel vor wenn sie einen arbeitsunfähigen Migranten sieht. (Anmerkung des Übersetzers: Meine Bildung verlief in anderen Bahnen, aber eine kurze Youtube-Suche mit den Schlagworten „Bracknell“ & „Handbag“ ist sehr aufschlussreich). Dies ist ein wörtliches Zitat:

„Wollen Sie damit sagen, Mister Summers, daß die Autoritäten, die Regierung, für ihre Beschuldigungen Zusammenhänge liefern solle?“

Ein unbeeindruckter Summers gab eine bejahende Antwort und fuhr damit fort aufzuzeigen, in welchen anderen Auslieferungsverfahren dies vom Obersten Gerichtshof gesagt worden ist. Baraitser wies heillose Verwirrung darüber auf, daß jemand behaupten könne, daß es einen signifikanten Unterschied zwischen Regierung und Gott gäbe.

Der größte Teil von Summers Beweisführung drehte sich um die Widerlegung von Anschuldigung 3), der Gefährdung von Menschenleben. Dies wird (von der Anklage, Anm. d. Ü.) nur in Bezug auf die Materialien a) und d) behauptet. Summers beschreibt ausführlich die mehr als ein Jahr andauernden Bemühungen Wikileaks und anderer Medien, eine große Aktion zur Unkenntlichmachung der Depeschen vorzubereiten. Er erklärte, daß die ungeschwärzten Depeschen erst verfügbar wurden, nachdem Luke Harding und David Leigh vom Guardian das Passwort zu dem Verzeichnis als Überschrift für Kapitel XI ihres Buches Wikileaks druckten, welches im Februar 2011 veröffentlicht wurde.

Niemand hatte hinsichtlich dieses Passworts 1 und 1 zusammengezählt, bis die deutsche Wochenzeitung „Der Freitag“ dies tat und im August 2011 bekanntgab, daß sie über die ungeschwärzten Depeschen verfügen. Summers brachte nun das schlagkräftigste Argument des Tages.

Die US-Regierung hatte sich aktiv an den Bemühungen zur Schwärzung der Depeschen beteiligt. Demzufolge wussten sie, daß die Anschuldigungen der fahrlässigen Veröffentlichung nicht wahr sind.

Nachdem „Der Freitag“ bekanntgegeben hatte, daß sie in Besitz der ungeschwärzten Materialien waren, riefen Julian Assange und Sara Harrison unverzüglich das Weiße Haus, das Außenministerium und die Amerikanische Botschaft an um diese zu warnen, daß namentlich genannte Quellen gefährdet seien könnten. Summers las aus den Abschriften von Telefongesprächen vor, in denen Assange und Harrison versuchten, US-Beamte von der Dringlichkeit zu überzeugen, Quellenschutzmaßnahmen einzuleiten – und in denen sie ihre Ratlosigkeit zum Ausdruck bringen, als sie von den Behörden abgeblockt werden. Dieses Beweismaterial unterminiert die Klage der US-Regierung vollständig, und zeugt von böser Absicht beim Weglassen extrem relevanter Fakten. Es war ein sehr beeindruckender Moment.

Mit Verweis auf dasselbe Verhalten in Anschuldigung 3) bezüglich der Materialien d) zeigte Summers, daß der Manning-Prozess anerkannt hatte, daß diese Materialien keinerlei gefährdete Quellennamen enthielten, daß dieser Prozess aber zeige, daß Wikileaks trotzdem eine Unkenntlichmachung vorgenommen habe, um ganz sicher zu gehen.

Es gab noch viel mehr seitens der Verteidigung. Für die Anklage gab James Lewis an, daß er später im Verfahren ausführlich darauf eingehen werde, aber bemerken wolle, daß die Anklage die Materialien aus dem Militärgericht als Fakten akzeptiere, und insbesondere keine der „eigennützigen“ Aussagen Chelsea Mannings akzeptiere, die er als eine überführte Verbrecherin darstellte, die fälschlicherweise noble Absichten für ihre Taten beanspruche. Die Anklage wies generell jedwede Ansicht zurück, daß dieses Gericht Wahrheit oder Nichtwahrheit irgendwelcher Fakten in Betracht ziehen solle; dies könnte nur bei einem Verfahren in den USA entschieden werden.

Dann, um die Verhandlungen abzuschließen, ließ Baraitser eine massive Bombe los. Sie erklärte, daß obwohl Artikel 4.1 des US/GB Auslieferungsabkommens politische Auslieferungen verbiete, dies ja nur in dem Abkommen stünde. Diese Ausnahme erscheint nicht im GB Auslieferungsgesetz. Dem Anschein nach sei demzufolge politische Auslieferung in GB nicht illegal, da das Abkommen keinerlei Rechtskraft besäße. Sie lud die Verteidigung dazu ein, am nächsten Morgen auf diese Argumentation einzugehen.

Es ist jetzt 6:35, und ich bin spät dran um mich anzustellen…

Craig Murrays Bericht zur Assange Verhandlung in Belmarsh, Tag 1

Dies ist eine Übersetzung der Berichterstattung des Briten Craig Murray über die Verhandlungen im Fall Julian Assange.

Die Originalquelle findet ihr hier.

Ihr Mann im Gerichtssaal – Assange Anhörung Tag 1

Der Woolwich Crown Court Gerichtshof wurde so gestaltet, daß er die Staatsmacht eindrücklich erkenntlich macht. Normale Gerichtshöfe in diesem Land sind öffentliche Gebäude, von unseren Vorfahren bewußt mitten in den Stadtzentren platziert, meistens nur wenige Schritte von einer Hauptstraße entfernt. Der Hauptgrund für ihre Platzierung und ihre Architektur war es, den öffentlichen Zugang zu begünstigen, in dem Glauben daß es fundamental wichtig sei, daß die Justiz für die Öffentlichkeit sichtbar ist.

Der Woolwich Crown Court, in dem auch der Belmarsh Magistrates Court beherbergt wird, wurde nach komplett gegensätzlichen Prinzipien erbaut. Er wurde mit keinem anderen Ziel entworfen als dem, die Öffentlichkeit auszuschließen. Angeschlossen an ein Gefängnis in einem windigen Sumpfgebiet, weit entfernt von normalen gesellschaftlichen Zentren, eine „Insel“ die man nur erreicht, indem man durch ein kompliziertes Geflecht doppelspuriger Schnellstraßen navigiert, sind der Standort und die Architektur des Gebäudes gänzlich darauf ausgelegt, der Öffentlichkeit den Zugang zu erschweren. Der Gerichtshof wird von dem selben Stahlzaun umringt der auch das Gefängnis umschließt. Es ist etwas durch und durch Außergewöhnliches. Ein Gerichtshof der Teil des Gefängnisses selbst ist, ein Ort an dem man bereits beim Eintreffen als schuldig und sich im Gefängnis befindend betrachtet wird. Woolwich Crown Court ist nichts anderes als die physische Negierung der Unschuldsvermutung, die schiere Inkarnation der Ungerechtigkeit in unnachgiebigem Stahl, Beton und Panzerglas. Es hat genau die selbe Beziehung zur Rechtssprechung wie Guantanamo Bay oder die Lubjanka. In Wahrheit ist es schlicht der Verurteilungsflügel des Belmarsh Gefängnisses.

Als ein Assange-Aktivist sich nach Räumlichkeiten erkundigte, in denen die Öffentlichkeit die Anhörung verfolgen kann, wurde ihm von einem Mitarbeiter des Gerichtshofs gesagt, daß wir uns darüber klar werden müssen, daß Woolwich ein „Terrorismusbekämpfungsgerichtshof“ sei. Das ist faktisch wahr, aber eigentlich ist ein „Terrorismusbekämpfungsgerichtshof“ eine Institution, die der Verfassung des Vereinigten Königreichs unbekannt ist. Tatsächlich muß man, wenn einen ein einziger Tag am Woolwich Crown Court nicht davon überzeugt, daß die Existenz freiheitlicher Demokratie nun eine Lüge ist, wahrlich engstirnig sein.

Auslieferungsanhörungen werden nicht am Belmarsh Magistrates Court innerhalb des Woolwich Crown Court abgehalten. Sie finden immer am Westminster Magistrates Court statt, da der Antrag auf Auslieferung als an die Regierung in Westminster gestellt erachtet wird. Und nun müssen sie sich Folgendes klar machen: Diese Anhörung ist eine Anhörung des Westminster Magistrates Court. Sie wird von Westminster Richtern und Mitarbeitern des Westminster Gerichtshof gehalten, aber findet am Belmarsh Magistrates Court innerhalb des Woolwich Crown Court statt. Diese merkwürdigen Verwicklungen dienen dazu, daß sie den „Terrorismusbekämpfungsgerichtshof“ nutzen können um den Zugang der Öffentlichkeit auf ein Minimum zu beschränken, und um Furcht vor der Macht des Staates zu schüren.

Eine Konsequenz im Gerichtssaal ist die, daß Julian Assange am hinteren Ende des Gerichtssaals, hinter einer Trennwand aus kugelsicherem Glas eingesperrt ist. Er hat während des Verfahrens mehrere Male darauf hingewiesen, daß dieser Umstand es ihm sehr erschwere, die Verhandlung zu sehen und zu hören. Die Richterin, Vanessa Baraitser, entschloß sich mit durchdachter Unehrlichkeit dies als ein Problem zu interpretieren, welches durch die sehr leise wahrnehmbaren Geräusche der Demonstration vor dem Gebäude verursacht wurde, anstatt die Problematik auf die Tatsache zurückzuführen, daß Assange durch einen massiven, kugelsicheren Glaskasten vom Gerichtssaal abgesperrt wurde.

Nun gibt es überhaupt keinen Grund für Assange sich in diesem Kasten zu befinden, welcher entworfen wurde um physisch extrem gewaltbereite Terroristen zu bändigen. Er könnte, wie es für den Angeklagten in solchen Verfahren üblich ist, zusammen mit seinen Anwälten im Gerichtssaal sitzen. Aber die feige und bösartige Baraitser hat wiederholte und hartnäckige Anfragen der Verteidigung, daß es Assange erlaubt wird bei seinen Anwälten zu sitzen, abgewiesen. Baraitser ist selbstverständlich eine Marionette, beaufsichtigt von Chief Magistrate Lady Arbuthnot, eine Frau so verstrickt in die Verteidigungs- und Geheimdienste, daß ich mir keine Weise vorstellen kann, auf die ihre Beteiligung an diesem Fall noch korrupter sein könnte.

Baraitser und Arbuthnot ist es egal, ob eine wirkliche Notwendigkeit dafür besteht, Assange in einem kugelsicheren Glaskasten einzusperren, oder ob es ihn daran hindert dem Gerichtsverfahren zu folgen. Baraitsers Absicht ist es, Assange zu demütigen, und dem Rest von uns Angst vor der unermesslich erdrückenden Macht des Staates einzuflößen. Die unerbittliche Stärke des Verurteilungsflügels des albtraumhaften Belmarsh Gefängnis muß aufrechterhalten werden. Wenn Du hier bist, bist Du schuldig.

Es ist die Lubjanka. Du magst Dich nur in Untersuchungshaft befinden. Dies mag nur eine Anhörung, keine Gerichtsverhandlung sein. Du magst keinerlei gewalttätige Vorgeschichte haben, und mußt auch nicht irgendeiner Form der Gewalt angeklagt sein. Dir mögen drei der angesehensten Psychiater des Landes eine ernsthafte klinische Depression und Suizidgefährdung attestiert haben. Aber ich, Vanessa Baraitser, werde Dich trotzdem in eine Kiste einsperren, die für die gewalttätigsten Terroristen geschaffen wurde. Um Dir zu zeigen, was wir mit Regimekritikern machen. Und wenn das bedeutet, daß Du dem Verfahren nicht folgen kannst, dann umso besser.

Was ich über den Gerichtshof sage wird für Sie vielleicht besser zu akzeptieren sein, wenn ich Ihnen erzähle, daß eine Anhörung die rund um die Welt verfolgt wird, in einem Gerichtssaal stattfindet, der eine Gesamtzahl von sechzehn Sitzplätzen für Angehörige der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. 16. Um sicherzugehen, daß ich einen dieser 16 Plätze bekomme um Ihr Mann im Gerichtssaal zu sein, habe ich mich um 6:00 Uhr Morgens außerhalb dieses großen Eisenzauns in der Kälte angestellt. Um 8:00 Uhr wurde das Tor aufgesperrt, und ich konnte mich innerhalb des Zauns in einer weiteren Schlange vor den Türen des Gerichtshofes einreihen, wo ich trotz der Tatsache, daß die Ankündigungen besagten, daß das Gericht um 8:00 Uhr für die Öffentlichkeit geöffnet wird, für eine weitere Stunde und vierzig Minuten warten mußte. Dann wurde ich durch gepanzerte Doppeltüren geschleust, wurde durch flughafenähnliche Sicherheitskontrollen geschickt, und mußte vor zwei weiteren verschlossenen Türen anstehen bevor ich endlich meinen Platz einnehmen konnte, gerade als das Verfahren um 10:00 begann. Die Intention war, daß wir zu diesem Zeitpunkt durch und durch verängstigt und eingeschüchtert sein würden, und obendrein noch durchnäßt und womöglich unterkühlt.

Es gab einen separaten Eingang für die Medien, und einen Raum für die Medien mit live Übertragung aus dem Gerichtssaal, und es waren derart viele Medien vor Ort, daß ich das Gefühl hatte ich könnte mich entspannen, und bräuchte mir keine Sorgen machen, da die grundlegenden Tatsachen weit und breit berichtet werden würden. Tatsächlich hätte ich falscher nicht liegen können. Ich habe die Auseinandersetzungen während des gesamten Tages sehr aufmerksam verfolgt, und nicht eine einzige der wichtigsten Fakten und und Argumentationen des heutigen Tages wurde irgendwo in den Mainstreammedien berichtet. Das ist eine kühne Behauptung, aber ich fürchte sie ist gänzlich wahr. Daher habe ich viel Arbeit vor mir, um die Welt wissen zu lassen was tatsächlich passierte. Die schiere Tatsache ein aufrichtiger Zeuge zu sein ist auf einmal von extremer Bedeutung, wenn sämtliche Medien diese Rolle aufgegeben haben.

Kronanwalt James Lewis verlas die Anklageeröffnung. Diese bestand aus zwei Teilen, beide gleichermaßen außergewöhnlich. Der erste und längste Teil war wahrlich bemerkenswert, da er keinerlei rechtliche Argumentation beinhaltete, und da er nicht an die Richter, sondern an die Medien gerichtet war. Nicht nur war es offensichtlich, daß seine Bemerkungen an diese gerichtet waren, er hat tatsächlich zwei Mal während seiner Anklageeröffnung gesagt, daß er sich damit an die Medien richtet, einmal wiederholte er einen Satz und betonte explizit, daß er diesen Satz wiederhole, weil es wichtig sei, daß die Medien dies mitbekommen.

Ich bin ehrlich überrascht, daß Baraitser dies zugelassen hat. Es ist absolut unzulässig für einen Anwalt seine Bemerkungen nicht an den Gerichtssaal, sondern an die Medien zu richten, und es kann eigentlich keinen klareren Beweis dafür geben, daß dies ein politischer Schauprozess ist, und daß Baraitser daran beteiligt ist. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, daß die Verteidigung extrem schnell aufgehalten worden wäre, wenn sie die Medien adressiert hätten. Baraitser gibt sich keinerlei Mühe so zu tun, als sei sie jemand anderem als absolut der Krone hörig, und damit der US Regierung.

Was Lewis die Medien wissen lassen wollte war Folgendes: Es ist nicht wahr, daß Mainstreampressekanäle wie der Guardian oder die New York Times ebenfalls von den Anschuldigungen gegen Assange bedroht seien, denn Assange werde nicht der Veröffentlichung der Depeschen beschuldigt, sondern nur der Veröffentlichung der Namen von Informanten, und desweiteren der Ermutigung Mannings, und damit diese bei dem Versuch des Hackens unterstützt zu haben. Nur Assange habe diese Dinge getan, nicht die Mainstreammedien.

Lewis fuhr damit fort eine Reihe von Artikeln aus den Mainstreammedien vorzulesen in denen Assange attackiert wird, als Beweis, daß die Medien und Assange nicht im gleichen Boot sitzen. Die gesamte Eröffnungsstunde bestand aus der Adresse der Medien durch die Anklage, in dem Versuch einen eindeutigen Keil zwischen die Medien und Wikileaks zu treiben, und zielte somit darauf ab die mediale Unterstützung für Assange zu reduzieren. Es war eine politische Ansprache, nicht im entferntesten eine juristische Vorlage. Gleichzeitig hatte die Anklage stapelweise Kopien dieses Teils von Lewis Ansprache vorbereitet, welche an die Medien ausgehändigt wurden und ihnen in elektronischer Form zugeteilt wurde, so daß sie in der Lage sind, Copy & Paste zu nutzen.

Nach einer Pause befrage Richterin Baraitser die Anklage nach dem Wahrheitsgehalt einiger derer Aussagen. Insbesondere die Behauptung, daß Zeitungen sich nicht in derselben Position befinden wie Assange, da Assange nicht der Veröffentlichung sondern der „Beihilfe“ Chelsea Mannings bei der Beschaffung der Materialien bezichtigt wird, schien nicht in Einklang mit Lewis Verlesung des 1989 Official Secrets Act (Amtsgeheimnisakt von 1989), welcher besagt, daß die bloße Beschaffung und Veröffentlichung von Regierungsgeheimnissen eine Straftat ist. Sicherlich, so suggerierte Baraitser, bedeute dies doch, daß Zeitungen sich allein durch das Veröffentlichen der Manning Leaks eines Vergehens schuldig machten?

Lewis schien hierdurch komplett überrumpelt. Das letzte was er erwartet hatte, war irgendeine Scharfsinnigkeit von Baraitser, deren einzige Aufgabe es doch war, zu tun was er sagte. Lewis druckste herum, nahm mehrmals seine Brille ab und setzte sie wieder auf, justierte wiederholte Male das Mikrofon und zog eine Folge von Papieren aus seiner Aktentasche, von deren Inhalt er jeweils überrascht schien, da er sie unglücklich durch die Luft wedelte und sagte, er hätte doch wirklich den Shayler Fall zitieren sollen, könne diesen aber nicht finden. Es war als würde man Columbo schauen, aber ohne den Charme, und ohne die tödlich scharfe Frage am Ende des Vorgangs.

Auf einmal schien Lewis einen Entschluß zu fassen. Ja, sagte er viel entschlossener. Der 1989 Official Secrets Act wurde nach dem Ponting Fall von der Thatcher Regierung eingeführt, speziell um das Öffentliche Interesse als Verteidigungsgrund zu entfernen und um den unautorisierten Besitz eines Amtsgeheimnisses zu einem Verbrechen mit verschuldensunabhängiger Haftung zu erklären – also egal wie man es erlangt hat, die Veröffentlichung und selbst der Besitz machen jemanden schuldig. Daher, nach dem Prinzip der beiderseitigen Strafbarkeit, wäre man im Falle Assange auslieferungspflichtig, unabhängig davon, ob er Chelsea Manning Beihilfe geleistet habe. Lewis fügte dann noch hinzu, daß jeder Journalist und jede Veröffentlichung eines Amtsgeheimnises ebenfalls eine Straftat darstellen würde, egal woher sie diese Information bekommen hätten, und egal ob dabei die Informanten namentlich genannt werden oder nicht.

Damit hatte Lewis soeben geradeheraus seiner gesamten Eröffnungsansprache an die Medien widersprochen, in welcher er ja darlegte, daß diese sich keine Sorgen machen bräuchten, da die Anschuldigungen gegenüber Assange diese niemals betreffen würden. Und er tat dies unverzüglich nach der Pause, direkt nachdem sein Team die Kopien der Argumente an die Presse ausgehändigt hatte, denen er nun komplett widersprach. Ich glaube nicht, daß es vor Gericht oft vorgekommen ist, daß ein leitender Staatsnwalt sich selbst so vollkommen und so unmittelbar als absoluter und böswilliger Lügner erwiesen hat. Dies war zweifellos der atemraubenste Moment der heutigen Anhörung.

Doch erstaunlicherweise kann ich zu diesem Vorfall keinerlei Erwähnung in den Mainstreammedien finden. Was ich finden kann, überall, sind die Berichte der Mainstreammedien, via Copy & Paste, über den ersten Teil von Lewis Aussage, warum die Strafverfolgung von Assange kein Gefahr für die Pressefreiheit darstellt; jedoch schien niemand berichtet zu haben, daß er sein eigenes Argument fünf Minuten später komplett über Bord geworfen hat. Waren die Journalisten zu dumm um den Wechsel zu verstehen?

Die Erklärung ist sehr simpel. Da die Erläuterung auf eine Frage folgte, die Baraitser Lewis gestellt hatte, gibt es keine gedruckte oder elektronische Aufzeichnung von Lewis Antwort. Seine ursprüngliche Ansprache wurde den Medien im Copy & Paste Format zur Verfügung gestellt. Sein Widerspruch selbiger würde es einem Journalisten abverlangen zuzuhören was im Gerichtssaal gesagt wird, es zu verstehen, und es aufzuschreiben. Es gibt derzeit keinen signifikanten Prozentsatz von Journalisten in den Mainstreammedien, die diese grundlegende Fertigkeit beherrschen. „Journalismus“ besteht aus Copy & Paste ausschließlich aus zugelassenen Quellen. Lewis hätte Assange in diesem Gerichtssaal erstechen können, es würde nicht berichtet werden sofern es nicht in einer Pressemitteilung der Regierung enthalten wäre.

Ich bin mir im unklaren über Baraitsers Motive hierbei. Offensichtlich bereitet sie Lewis schweres Unbehagen, und schien dies ziemlich zu genießen. Andererseits war das Argument, das sie anbrachte, nicht notwendigerweise hilfreich für die Verteidigung. Was sie im Wesentlichen sagte war, daß Julian aus Sicht des Vereinigten Königreichs aufgrund beidseitiger Strafbarkeit ausgeliefert werden könne, allein aufgrund der Veröffentlichungen, ob er nun mit Chelsea Manning konspirierte oder nicht, und daß alle veröffentlichenden Journalisten ebenfalls angeklagt werden können. Sicherlich wäre dies ein derartig extremes Argument, daß es notwendigerweise durch den Human Rights Act für ungültig erklärt werden müsse? Drängte sie Lewis darauf, einen Standpunkt so extrem auszusprechen, daß dieser unhaltbar würde – gab sie ihm genug Seil um sich selbst zu hängen – oder geiferte sie ob der Aussicht nicht nur auf Auslieferung Assanges, sondern auch auf Massenverfolgung von Journalisten?

Die Reaktion einer Gruppe war sehr interessant. Die vier Anwälte der US Regierung die direkt hinter Lewis saßen, hatten den Anstand, sehr sehr unbehaglich dreinzuschauen, während Lewis unumwunden bekannt gab, daß jeder Journalist, jede Zeitung, jedes Rundfunkmedium das Amtsgeheimnisse veröffentlicht oder auch nur besitzt sich eines ernsten Verbrechens schuldig macht. Ihre ganze Strategie war gewesen vorzugeben, daß dem nicht so sei.

Lewis ging dann zum abschließenden Argument der Anklagepartei über. Die Entscheidung die das Gericht zu fällen habe sei im Grunde keine Entscheidung, konstatierte er. Assange müsse ausgeliefert werden. Das Vergehen erfülle die beidseitige Strafbarkeit, da es sowohl in den Vereinigten Staaten von Amerika als auch im Vereinigten Königreich eine Straftat sei. Das Auslieferungsgesetz des Vereinigten Königreichs schließe es ausdrücklich aus, daß das Gericht prüft, ob es Beweise gibt, die die Anklage untermauern. Wenn es, wie die Verteidigung argumentiert, Verfahrensmissbrauch gegen hätte, so müsse das Gericht dennoch ausliefern, und dann müsse das Gericht den Verfahrensmissbrauch als einen separaten Fall gegen die Täter verfolgen. (Dies ist eine besonders fadenscheinige Argumentation, da, wie Lewis sehr wohl weiß, es dem Gericht aufgrund der Staatenimmunität nicht möglich ist, gegen die US Regierung vorzugehen). Zu guter Letzt äußerte Lewis, daß der Human Rights Act und die Meinungsfreiheit in Auslieferungsverfahren gänzlich irrelevant seien.

Im Anschluß erhob sich Edward Fitzgerald um für die Verteidigung zu eröffnen. Er begann mit der Aussage, daß das Motiv hinter der Strafverfolgung voll und ganz politisch sei, und daß politische Straftaten durch Artikel 4.1 des USA/GB Auslieferungsabkommens explizit ausgeschlossen werden. Er wies darauf hin, daß die Regierung unter Obama während des Verfahrens gegen Chelsea Manning, und nochmals 2013, konkrete Entscheidungen gefällt habe, Assange nicht für die Manning Leaks zu belangen. Dies sei durch die Trump-Regierung aus rein politischen Gründen rückgängig gemacht worden.

Bezüglich Verfahrensmissbrauch griff Fitzgerald auf Beweise zurück, die spanischen Strafgerichtshöfen vorliegen und besagen, daß die CIA eine spanische Sicherheitsfirma damit beauftragte, Julian Assange in der Botschaft auszuspionieren, und daß diese Spionage insbesondere Assanges geschützte Treffen mit seinen Anwälten mit einschloß, in denen es um die Auslieferung ging. Wenn derjenige Staat, welcher versucht die Auslieferung zu erwirken, die Mandantengespräche des Beklagten ausspioniert, sei dies schon für sich genommen ein Grund, den Fall abzuweisen. (Dieser Standpunkt ist unzweifelhaft wahr. Jeder anständige Anwalt würde den Fall aufgrund des unerhörten Ausspionierens der Strafverteidiger kurzerhand verwerfen).

Die Verteidigung, so Fitzgerald weiter, würde Beweise erbringen, daß die CIA Assange und seine Anwälte nicht nur ausgespäht habe, sondern aktiv die Möglichkeit in Betracht gezogen habe ihn zu entführen oder zu vergiften, was aufzeige, daß es in diesem Fall keine Bereitschaft für eine volle Rechtsstaatlichkeit gebe.

Fitzgerald sagte, die Darstellung des Falls durch die Staatsanwaltschaft enthalte vorsätzliche Falschdarstellungen der Fakten, was ebenfalls auf Verfahrensmissbrauch hinauslaufe. Es sei nicht wahr, daß irgendwelche Beweise für die Gefährdung von Informanten existierten. Die US Regierung habe dies in anderen Foren bestätigt, z.B. während es Verfahrens gegen Chelsea Manning. Es habe keine Verschwörung gegeben, Computer zu hacken, und Chelsea Manning wurde vom Militärgericht von dieser Anklage freigesprochen. Außerdem sei es unwahr, daß Wikileaks die Veröffentlichung ungeschwärzter Informantennamen initiiert habe, da andere Mediengesellschaften zuerst hierfür verantwortlich seien.

Abermals wurde, soweit ich das überblicke, über die Anschuldigungen der USA hinsichtlich der Gefährdung von Informanten medial breitflächig berichtet, während über die entschiedene Anfechtung dieser Anschuldigung seitens der Verteidigung ebenso wie die Aussage, daß die Fabrikation von Tatbeständen Verfahrensmissbrauch sei, kaum berichtet wird. Schließlich verwies Fitzgerald als Gründe für die unabdingbare Verweigerung der Auslieferung auf die Bedingungen in US-Gefängnissen, auf die Unmöglichkeit eines fairen Verfahrens in den USA, sowie auf die Tatsache, daß die Trump-Regierung erklärt habe, ausländische Staatsangehörige würden keinen Schutz durch den ersten Verfassungszusatz erhalten. Die gesamte Stellungnahme der Verteidigung kann man hier lesen, doch meiner Meinung nach war der wichtigste Abschnitt Folgender, der sich damit beschäftigt, warum dies eine politische Verfolgung sei, und damit die Auslieferung ausgeschlossen:

5.3 Zum Zwecke von Sektion 81(1) muß ich mich nun der Frage widmen,
inwiefern diese politisch motiverte Verfolgung die Voraussetzungen
erfüllt, aufgrund seiner politischen Ansichten gegen Julian Assange
gerichtet zu sein. Der Kern seiner politischen Ansichten, welche
diese Strafverfolgung herbeigeführt haben, werden in den Berichten
von Professor Feldstein [tab 18], Professor Rogers [tab 40],
Professor Noam Chomsky [tab 39] und Professor Kopelmann
zusammengefasst:-
 i Er ist ein führender Verfechter einer offenen Gesellschaft 
und der Meinungsfreiheit 
 ii Er ist gegen Krieg und gegen Imperialismus  
 iii Er ist ein weltweit angesehener Vorkämpfer für politische Transparenz 
und für das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Informationen zu wichtigen 
Themen – Themen wie politischer Korruption, Kriegsverbrechen, d
er Folter und Mißhandlung  von Guantanamo-Insassen  
5.4 Diese Überzeugungen und diese Taten bringen ihn – aus
politischen Gründen – unausweichlich in Konflikt mit mächtigen
Staaten, einschließlich der gegenwärtigen US Regierung. Dies
erklärt warum er als Terrorist angeprangert wurde, und warum
Präsident Trump in der Vergangenheit die Todesstrafe gefordert hat.
5.5 Aber ich sollte hinzufügen, daß seine Enthüllungen sich bei
weitem nicht auf die Verfehlungen der USA beschränken. Er hat
Überwachung durch Russland aufgedeckt; und Enthüllungen über Mr.
Assad in Syrien veröffentlicht; und man sagt, daß die
Wikileaks-Enthüllungen über Korruption in Tunesien und über Folter
in Ägypten sogar Auslöser für den Arabischen Frühling gewesen
seien.
5.6 Die USA behaupten er sei kein Journalist. Aber in Anhang M finden
sie eine vollständige Aufzeichung seiner Arbeit. Seit 2009 ist er
Mitglied des australischen Journalistenverbandes, er ist Mitglied der
NUJ und der Europäischen Journalisten-Föderation. Er hat zahlreiche
Medienpreise gewonnen, einschließlich der Ehrung mit der höchsten
australischen Auszeichnung für Journalisten. Seine Arbeiten werden
von The Economist, Amnesty International und dem Europarat anerkannt.
Er ist Träger des Martha Gelhorn Preises und wurde wiederholte Male
für den Friedensnobelpreis nominiert, einschließlich letzten und
diesen Jahres. Anhand des Materials sieht man, daß er Bücher
geschrieben hat, Artikel und Dokumentationen. Seine Artikel wurden im
Guardian veröffentlicht, in der New York Times, der Washington Post
und im New Statesman, um nur ein paar zu nennen. Einige eben der
Veröffentlichungen wegen derer nun seine Auslieferung ersucht wird,
wurden in Gerichtssälen rund um die Welt referenziert und sich auf
sie verlassen, einschließlich des Obersten Gerichtshofs des
Vereinigten Königreichs und des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte. Kurz gesagt hat er weltweit die Interessen von
Transparenz und Informationsfreiheit verfochten.
5.7 Professor Noam Chomsky drückt es folgendermaßen aus: - „in
dem er tapfer politische Überzeugungen aufrechterhält, von denen
die meisten behaupten, sie zu teilen, hat er all jenen auf der Welt,
die die Werte von Freiheit und Demokratie zu schätzen wissen, und
die daher das Recht verlangen zu wissen, was ihre gewählten
Repräsentanten tun, einen enormen Dienst erwiesen [siehe tab 39,
paragraph 14]. Daher ist Julian Assanges positiver Einfluß auf die
Welt unbestreitbar. Die Feindseligkeit, die dies seitens der Trump
Regierung hervorgerufen hat, ist gleichermaßen unbestreitbar.
Die rechtliche Voraussetzung für „politische Meinungen“
5.8 Ich bin mir
sicher, Sie sind sich der rechtlichen
Befugnisse bezüglich dieser Frage bewußt:
nämlich ob eine Anfrage aufgrund der politischen Meinungen des
Beklagten getätigt wird. Wenn man diese Voraussetzung prüft muß
ein umfassender Ansatz angewendet werden. Um dies zu unterstützen
berufen wir uns auf den Fall Re Asliturk [2002] EWHC 2326 (Mißbrauch
Behörden, tab 11, Paragraphen 25-26), welcher klar festlegt, daß
ein solch umfassender Ansatz auf das Konzept der politischen Meinung
angewendet werden soll. Und das wird offensichtlich Julian Assanges
ideologische Positionen umfassen. Ferner berufen wir uns auf Fälle
wie Emilia Gomez v SSHD [2000] INLR 549 […].
Diese zeigen auf, daß das Konzept „politische Meinungen“ sich
auch auf die politischen Meinungen erstreckt, die dem individuellen
Bürger durch den Staat, von dem er verfolgt wird, unterstellt
werden. Aus diesem Grund verdeutlicht die Beschreibung von Julian
Assange und Wikileaks als eine
„nicht-staatliche feindliche Geheimdienststelle“ durch Herrn
Pompeo, daß er aufgrund seiner unterstellten politischen Meinungen
anvisiert worden ist. All die Experten, deren Berichte sie vor sich
haben, zeigen auf, daß Julian Assange gezielt wegen der Politischen
Ansichten die ihm von der Trump Regierung unterstellt werden
anvisiert worden ist – als ein Feind Amerikas der zu Fall gebracht
werden muß.

Morgen wird die Verteidigung fortfahren. Ich bin mir sehr unsicher, was passieren wird, da ich mich im Moment viel zu erschöpft fühle um um 6:00 dort zu sein und mich anzustellen um Einlaß zu erhalten. Aber ich hoffe es irgendwie zu bewerkstelligen morgen Abend einen weiteren Bericht zu verfassen.